Elektrochemische Experimente werden durchgeführt, indem ein Potential- oder Stromsignal an die zu prüfende elektrochemische Zelle/Device Under Test (DUT, Prüfling) angelegt, gesteuert und dessen Reaktion mit einem Potentiostat/Galvanostat (PGSTAT) gemessen wird. Hier werden zwei unterschiedliche Optionen für die Durchführung verschiedener elektrochemischer Experimente erörtert: lineare Scans und Staircase-Scans sowie einige Anwendungen, bei denen die eine Option der anderen vorgezogen werden sollte.
Von analog zu digital
Bevor die moderne Digitalelektronik weit verbreitet war, arbeiteten PGSTATs mit analoger Elektronik und lieferten daher analoge Signale. Analoge Karten waren teuer und zeitaufwändig in der Herstellung und Prüfung. Außerdem erfolgt die Steuerung der Geräte von einem Computer aus über digitale Kommunikation und erfordert daher digitale Elektronik.
Ein analoges Signal ist kontinuierlich und hat eine praktisch unendliche Auflösung. Ein digitales Signal hingegen wird in diskreten Bits (0 und 1) geschrieben, ist also nicht kontinuierlich.
Lineare Scans
Um ein analoges Signal besser zu erklären, betrachten wir eine Linear-Sweep-Voltammetrie-Messung (LSV) im potentiostatischen Modus, die mit einem analogen Scan durchgeführt wird. Hier besteht das Diagramm der angelegten Spannung E über der Zeit aus einer Geraden zwischen dem Anfangs- und dem Endpotential. Das Potentialintervall zwischen zwei aufeinanderfolgenden Datenpunkten und die Scanrate definieren die Intervallzeit - die Steigung des Graphen im E vs. Zeit-Diagramm (Abbildung 1).
Während der LSV wird der resultierende Strom am Ende der Intervallzeit gemessen, wobei die Messzeit die Dauer der Abtastung (Sampling) definiert. Der Strom setzt sich zusammen aus einem kapazitiven Anteil ic (gegeben durch die Aufladung der Doppelschicht) und einem faradayschen Anteil if.
Eine Doppelschicht wird gebildet, wenn an eine Elektrode ein Potential angelegt wird. Dabei fließt ein Strom zur Elektrode, die dadurch aufgeladen wird. Ionen aus der Lösung wandern zur Oberfläche, um diese Ladung auszugleichen. An der Grenzfläche zwischen der Elektrode und dem Elektrolyten bildet sich daher eine Ionenschicht, die einem Kondensator entspricht.
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Superkondensatoren: Grundlagen und Charakterisierung mit Autolab
Der Faraday-Strom ist das Ergebnis der elektrochemischen Reaktionen an den Grenzflächen Arbeitselektrode | Elektrolyt und Gegenelektrode | Elektrolyt und ändert sich je nach Art des Elektronentransfers entweder linear oder mit der Quadratwurzel der Scanrate.
Der aus einem linearen Scan resultierende kapazitive Strom iC,ls ist ein konstanter Wert, der durch das Produkt aus der Doppelschichtkapazität Cdl und der Scanrate gegeben ist.
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Staircase-Scans
Als moderne digitale Elektronik kommerziell verfügbar und wirtschaftlich attraktiv wurde, setzten die PGSTAT-Hersteller diese zusammen mit PCs zur Steuerung der PGSTATs ein. Dies ermöglichte es den Forschern, komplexere Verfahren zu entwickeln und die Datenanalyse per Software durchzuführen. Metrohm Autolab war das erste Unternehmen, das bereits 1989 computergesteuerte PGSTATs auf den Markt brachte.
Bei digitalen Scans hat der Graph des angelegten Potentials über die Zeit zwischen dem Anfangs- und Endpotenzial die typische "Treppenform" eines digitalisierten Signals. Die Intervallzeit tint definiert die Dauer jeder Stufe, während das Stufenpotential Estep die Potentialdifferenz zwischen zwei aufeinanderfolgenden Stufen bzw. Potentialschritten definiert (Abbildung 2).
Der resultierende Strom wird am Ende des Potentialschrittes gemessen. Die Messzeit definiert die Abtastzeit.
Bei einem digitalen Scan führt das Sprungpotential Estep zu einem kapazitiven Strom iC,ss , der nahezu sofort bis zum Maximalwert lim(CR) des Strombereiches ansteigt und dann mit der Zeitkonstante t = RC exponentiell abfällt. Nach dem Abklingen des kapazitiven Stroms überwiegt der faradaysche Strom if.
Der Strom wird am Ende der Potentialstufe gemessen, so dass der kapazitive Strom nicht miterfasst und nur der faradaysche Strom gemessen wird (Abbildung 3).
Anwendungsbeispiele: Staircase-Scan oder linearer Scan?
Kondensatoren
Einige elektrochemische Prozesse können zu einem kapazitiven Strom führen, dessen charakteristischen Zeit mit der Aufladung der Doppelschicht vergleichbar ist. In solchen Fällen würde ein digitaler Scan solche kapazitiven Ströme und alle darin enthaltenen Informationen vernachlässigen.
Dies ist der Fall bei hochkapazitiven Zellen, wie Kondensatoren und Superkondensatoren.
In Abbildung 4 sind die Cyclovoltammogramme eines handelsüblichen 1 µF-Kondensators bei verschiedenen Scanraten dargestellt. Das Diagramm auf der linken Seite zeigt die Ergebnisse der digitalen Scans und auf der rechten Seite die Ergebnisse der analogen Scans [1].
Es ist klar ersichtlich, dass die digitalen Scan-Ergebnisse keine Informationen über die Ladung/Entladung des Kondensators enthalten, während die analogen Scan-Ergebnisse die erwartete Form der zyklischen Voltammogramme eines Kondensators aufweisen.
Adsorptions-/Desorptionsprozesse
Ein weiteres Anwendungsbeispiel sind Zellen, in denen eine schnelle Adsorption/Desorption von Spezies an der Elektrodenoberfläche in kurzer Zeit stattfindet, wie bspw. die Adsorption/Desorption von Wasserstoff als Teil des elektrochemischen Verhaltens von Platin, das in eine wässrige Schwefelsäurelösung getaucht ist (Abbildung 5).
Hier erfolgt die schnelle Adsorption/Desorption von Wasserstoff in Zeitskalen, die der Aufladung der Doppelschicht im Beispiel des Kondensators ähneln. Daher ist der lineare Scan die bevorzugte Option im Vergleich zum digitalen Staircase-Scan, der nicht in der Lage ist, die Wasserstoffadsorption/-desorption zu erfassen (Abbildung 6) [2].
Redoxreaktionen
Ein weiteres Beispiel für Experimente, bei denen der kapazitive Strom nicht vernachlässigt werden sollte, sind Redoxreaktionen mit einem sehr schnellen Elektronentransfer. In diesen Fällen ist der Ladungstransfer-Widerstand sehr klein, und das zyklische Voltammogramm resultiert in Redox-Peaks, die symmetrisch über den Potentialachsen verlaufen. Beispiele hierfür sind Redoxreaktionen an Spezies, die an der Oberfläche der Arbeitselektrode adsorbiert sind [3].
VIONIC: die Zukunft der Elektrochemie
Die neueste Generation von PGSTATs, wie bspw. VIONIC, ist mit einer Elektronik ausgestattet, die es dem Benutzer ermöglicht, analoge Scans ohne die zuvor genannten Nachteile durchzuführen. Dies gibt Forschern die Möglichkeit, die Art des Scans je nach Art der zu untersuchenden Systeme, der Materialien und der Bedeutung des kapazitiven Stroms für die Forschungsergebnisse zu wählen.
Ihr Wissen auf einen Blick
Referenzen
[1] Locati, C. Comparison between linear and staircase cyclic voltammetry on a commercial capacitor, Metrohm AG: Herisau, Switzerland, 2021. AN-EC-026
[2] Locati, C. Study of the hydrogen region at platinum electrodes with linear scan cyclic voltammetry – How VIONIC powered by INTELLO can be used to characterize processes at the Pt-electrolyte interface, Metrohm AG: Herisau, Switzerland, 2021. AN-EC-025
[3] Chi, Q.; Zhang, J.; Andersen, J. E. T.; Ulstrup, J. Ordered Assembly and Controlled Electron Transfer of the Blue Copper Protein Azurin at Gold (111) Single-Crystal Substrates. J. Phys. Chem. B 2001, 105 (20), 4669–4679. doi:10.1021/jp0105589